Vor ungefähr einer Woche wurde ich von einem Bekannten, dem ich neulich im meinem kleinen Park gleich nebenan begegnete, zu einer Weihnachtsfeier geladen.
Eigentlich meide ich Treffen dieser Art, doch nun, da ich schon lange nicht mehr unter Menschen weilte, dachte ich, ich könne diese Einladung annehmen.
So geschah es dann, dass ich gestern Abend bei der Feier war. Nach ungefähr fünfmal fröhlich Prost spielten wir das Spiel stille Post. Ich machte den Anfang und flüsterte meinem Nachbarn das Wort „Liebe“ ins Ohr.
„Was?!“, fragte er mich.
„Liebe!“, sagte ich darauf etwas lauter und vielleicht auch etwas verständlicher.
Da ich sehr neugierig bin und man mich sowieso für einen alten Narren hält, wusste ich ganz genau, dass es keinen stören wird, wenn ich nicht an meinem Platz brav sitzenbleibe, sondern mit meinem Wort „Liebe“ von Ohr zu Ohr mitgehen und lausche, was wohl geschehen mag.
Es geschah folgendes: aus Liebe wurde Lüge; aus Lüge wurde Übe; aus Übe wurde Rübe, aus Rübe Rebe, aus Rebe eben, aus eben wurde heben, aus heben wurde Häme.
Der letzte sprang ganz stolz auf und rief:
„Das Wort hieß: „Häme“!“
„Nein!“, rief ich entsetzt und rannte wieder an den ersten Platz und flüsterte meinem nächsten, nun noch deutlicher „Liiiebe“ ins Ohr:
Und wieder stand ich auf und lauschte was jetzt geschieht.
Aus Liebe wurde nun Hiebe, aus Hiebe Diebe, aus Diebe …
„Halt!“, rief ich voller Entsetzen „ ihr versteht mich nicht! Wir müssen wieder von vorn anfangen!“
Damit eilte ich erneut an den Anfang und flüsterte noch deutlicher meinem nächsten
„L I E B E“ ins Ohr.
Gleich sprang ich auf und lauschte in der Hoffnung, man hätte mich jetzt genau verstanden den nächsten zu.
Aus Liebe wurde Lebe, aus Lebe, Leber; aus Leber, Lieder; aus Lieder, Lieber; aus Lieber, Niemehr; aus Niemehr…
„Halt!“, schrie ich „Warum hört ihr denn nicht, was ich Euch schon die ganze Zeit sage?
LIEBE!“