Ein gesellschaftskritischer Blick auf das Versagen der Systeme


Langsam reicht´s!

Wir leben in einer Gesellschaft, die sich gerne als gerecht, sozial und menschenfreundlich darstellt. Schlagworte wie „Kinderschutz“, „Gleichberechtigung“ und „soziale Gerechtigkeit“ dominieren den öffentlichen Diskurs. Aber wie ehrlich sind diese glänzenden Prinzipien wirklich? Die Geschichte einer Mutter, die 1,5 Jahre darum kämpfen musste, dass ihr traumatisierter Sohn einen Therapieplatz bekommt, hat mich tief getroffen und es deckt schonungslos all das, was in unserem System grundlegend schiefläuft, auf. Sie zeigt nicht nur das komplette Versagen einzelner Institutionen, sondern auch die Kluft zwischen dem, was unsere Gesellschaft vorgibt zu sein, und dem, was sie in der Realität ist.

Systematische Hinhaltetaktik

Der Gang zu den Ämtern und sozialen Einrichtungen wird oft als der erste Schritt auf dem Weg zur Hilfe propagiert. Doch was passiert wirklich hinter den Türen der Institutionen? Urlaub, Krankheitsfälle, Personalmangel – immer wieder werden hilfesuchende Menschen vertröstet. Diese Ausreden verdecken die eigentliche Wahrheit: Unser System ist chronisch überlastet, unterfinanziert und oft schlichtweg nicht in der Lage, seinem Versprechen gerecht zu werden.

Die Mutter in unserer Geschichte kämpft 1,5 Jahre darum, dass ihr Sohn einen Therapieplatz bekommt. Statt Hilfe zu finden, wird sie durch eine Maschinerie geschleust, die vor allem eines produziert: Frustration. Sie wird gezwungen, ihre Geschichte immer und immer wieder zu erzählen, nur um am Ende doch mit leeren Händen dazustehen. Wie kann es sein, dass in einem Land, das sich so stark für Kinderrechte einsetzt, die Bedürfnisse eines Kindes dermaßen ignoriert werden? Die Antwort ist einfach: Unsere Gesellschaft ist darauf ausgerichtet, den Anschein von Hilfe zu erwecken, ohne sie wirklich zu leisten. Es ist ein System des Verdrängens und Vertröstens.

Floskeln statt Verantwortung

In Gesprächen mit Behörden und sozialen Einrichtungen wird häufig die Frage gestellt: „Wie können wir Ihnen helfen?“ Doch in vielen Fällen bleibt dies eine leere Floskel, eine höfliche Phrase, die den Anschein von Engagement erweckt, aber nichts weiter als Oberflächlichkeit ist. Hilfe scheint oft nur dann realisierbar, wenn sie ohne größeren Aufwand und Kosten erbracht werden kann. Sobald die Realität jedoch komplexer wird, wie im Fall eines traumatisierten Kindes, ist das System schnell überfordert.

Diese Floskelhaftigkeit offenbart ein tieferes und erschreckendes Problem: Die Institutionen sind nicht wirklich an den Menschen interessiert, denen sie helfen sollen. Sie erfüllen eine Pflicht, die oft eher wie ein bürokratischer Akt wirkt als wie echte Fürsorge. Und genau hier liegt die eigentliche Tragödie. Menschen, die sich in extremen Notlagen befinden, werden durch diese gleichgültige Haltung weiter entfremdet.

Das Ungleichgewicht der Wertigkeit

Ein besonders brisantes Detail der Geschichte offenbart, wie tief die Ungleichheit in unserem System verankert ist. Die Mutter wird gefragt, ob sie aus der Ukraine komme. Der implizite Subtext dieser Frage ist erschreckend: Hätte ihr Kind eine andere Herkunft, vielleicht sogar ein politisch brisantes oder medial präsentes Schicksal, hätte es schneller einen Therapieplatz bekommen. Das wurde ihr gegenüber auch so verbalisiert, das ist keine Spekukation! Hier zeigt sich eine erschütternde Hierarchie des Leids. Das Trauma eines Kindes, das in diesem Land geboren ist, scheint weniger wert zu sein als das Trauma eines Kindes aus einem Kriegsgebiet. Das ist weder Hetze noch Provokation. Es viel schlimmer! Es ist Fakt!

Natürlich ist es absolut richtig, Kindern, die aus Kriegs- und Krisengebieten kommen, zu helfen. Doch sollte diese Hilfe nicht auf dem Rücken anderer bedürftiger Kinder ausgetragen werden. Die Tatsache, dass es überhaupt eine solche Unterscheidung gibt, zeigt die Unfähigkeit unserer Gesellschaft, menschliches Leid auf eine gerechte und solidarische Weise zu bewältigen. Es entsteht der Eindruck, dass das, was mediale Aufmerksamkeit erregt, schneller Unterstützung erhält, während andere Notlagen schlichtweg übersehen werden. Und dieser Eindruck führt noch zu erheblichen Problemen in diesem Land!

Ein System, das Menschen zermürbt

Die Geschichte dieser Mutter ist kein Einzelfall. Sie zeigt eine Form von struktureller Gewalt auf, die in unserer Gesellschaft tief verwurzelt ist. Darunter verstehe ich, dass Menschen durch die bestehenden gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen benachteiligt und verletzt werden, ohne dass dies immer direkt sichtbar ist. Das ständige Hinauszögern, die Ausreden, die systemische Überforderung – all dies sind Formen von Gewalt, die psychische und emotionale Belastungen erzeugen.

Diese Gewalt ist umso perfider, weil sie nicht laut und offensichtlich ist. Sie schleicht sich in die Leben der Betroffenen ein, sie quält still und lässt die Menschen mit dem Gefühl zurück, allein gelassen zu sein. Besonders hart trifft sie die Schwächsten der Gesellschaft – Kinder, sozial Benachteiligte und Menschen in psychischen Krisen. Statt ihnen die Hilfe zu geben, die sie brauchen, werden sie in einem System aus Bürokratie und Desinteresse gefangen gehalten. Und das ist eine Schade!

Wann handeln wir endlich?

Die Frage, die sich unweigerlich stellen muss, ist: Wo soll das eigentlich noch hinführen? Wie lange können wir Menschen noch zusehen, wie andere in ihrem Leid verharren, während das System sie ganz offenbar komplett im Stich lässt?

Diese Geschichte ist ein Weckruf. Ein Aufruf, unser System, aber unser Wirken selbst von Grund auf zu überdenken. Es darf nicht länger sein, dass Menschen um ihre Rechte kämpfen müssen, während die Verantwortlichen ihr Versagen mit ihrer Hinhaltetaktik vertuschen.

Am Ende geht es nicht nur um den Jungen, der auf einen Therapieplatz wartet. Es geht um die Frage, was für eine Gesellschaft wir sein wollen: eine, die hinsieht, hilft und handelt – oder eine, die lieber die Augen verschließt, während sie in süßen aber leeren Floskeln ertrinkt.

 

 

 

 

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