Die Magie des Schreibens


Chaos im Kopf

Es gibt für mich nichts Furchteinflößenderes als den Gang zum leeren Blatt Papier, denn ich muss mich zum Schreiben wirklich überwinden. Nicht, weil es mir an Ideen fehlt, sondern weil ich zu viele habe. Sobald sie ihre Chance wittern, beginnen sie, wie kleine Küken im Nest lautstark zu schreien, um die Ersten zu sein. Es sind immer mindestens drei Ideen, die miteinander konkurrieren, und es werden auch nicht weniger, egal, wie viele ich von ihnen abarbeite. Diesen inneren Streit, der sich für mich wie eine Kneipenhauerei anfühlt, auszuhalten, ist für mich die größte Herausforderung. Chaos bedeutet für mich Unordnung, und das wiederum weckt in mir extreme Ungeduld, bis hin zur Aggression. Ja, ich werde regelrecht wütend, wenn mich Chaos umgibt, geschweige denn, wenn es in mir steckt.

Doch wenn ich mich nach vielen (sehr vielen!) Ausweichmanövern endlich vor den PC setze, schreibe ich zunächst ohne Zensur. Ich lasse die Wörter einfach fließen, selbst wenn sie zunächst keinen Sinn ergeben und voller Fehler sind (was mich unglaublich stört!). Dieser Akt des „wilden“, „kopflosen“ Schreibens, ohne an das Endergebnis zu denken, hat trotz des ständigen Nörgelns des inneren Kritikers etwas Befreiendes und immer etwas Überraschendes. Es ist erstaunlich, welche Gedanken sich auf den Weg machen, um endlich gesehen zu werden. Oft genug sind sie Zeugen eines tiefen inneren Wissens, zu dem ich außerhalb des Schreibprozesses überhaupt keinen Zugang habe.

So entstand auch mein erstes Buch „Das dunkle Labyrinth der Seele“. Es war ein rastloses Niederschreiben von Gedanken, von denen ich nicht einmal ahnte, dass sie in solcher Klarheit in mir existierten. Ehrlich gesagt wundere ich mich heute noch über dieses Buch und frage mich, wer es geschrieben hat, denn ich kann es nicht gewesen sein.

Es muss so etwas wie einen inneren Autor oder Philosophen geben, der wesentlich klüger und freier denkt als ich. Es sind ihre Worte, ihre Gedanken, und ich schreibe sie nur nieder. Nur so kann ich mit dieser Diskrepanz umgehen.

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