Rezension zu Simone de Beauvior „Alle Menschen sind sterblich“


Absolut zeitgemäß

Ein tiefgründig-phantasievoller und in seinen menschlichen Konflikten beeindruckender Roman. Mit Fosca, dem ungewöhnlichen Helden, dem auf geheimnisvolle Weise Unsterblichkeit verliehen ist, erlebt der Leser sechs Jahrhunderte europäischer Geschichte die sich doch immer nur im Kreis dreht. Denn was hat sich diesen sechs Jahrhunderten ereignet? Was hat sich geändert?

Für mich war es interessant zu beobachten, dass sich die Motive der Menschen im Laufe der vielen Jahrhunderte überhaupt nie veränderten. Es gab keinen wirklichen Fortschritt. Während sich die Kulissen wandelten und änderten, blieb der Mensch sich immer treu. Immer die gleichen unerfüllbaren Sehnsüchte, immer die gleichen vergeblichen Hoffnungen, immer die gleichen Unzufriedenheiten, immer der gleiche Wunsch nach Krieg und Frieden.

Focsa selbst beschließt aus dieser Erde ein Paradies zu machen, in dem die Menschen Frieden finden und keine Not erleiden müssen. Das ist sein Ziel, sein Lebensinhalt, das er über einige Jahrhunderte verfolgt. Doch sein Vorhaben scheitert. Am Menschen.

Man kann den Hunger besiegen, man kann die Pest überwinden: aber wird man der Menschen Herr?“

Nein, wird man nicht. Fosca zumindest wurde es nicht, denn zu unruhig ist der Mensch, zu unzufrieden mit dem Bestehendem.

Es ist beeindruckend dieses Buch gerade in der heutigen Zeit zu lesen. In einer Zeit, in der wir denken, die Menschheit müsste eigentlich etwas aus seiner Geschichte gelernt haben. In einer Zeit, in der man staunt, dass es ganz offensichtlich doch keine Entwicklung gegeben hat.

Irgendwie scheint es kein Ziel für uns zu geben. Irgendwie kommen wir nie zur Ruhe. Irgendwie brauchen wir immer Unruhe um uns herum. Wir brauchen es, um uns in unserem Leben spüren zu können, um unserer Existenz gewahr zu werden. Denn wie schnell schmeckt unser Leben fad´, wenn nichts geschieht, wenn wir alles haben, wenn wir satt sind? Wie schnell taucht dann die Frage nach dem Sinn unseres Lebens auf? Wie schnell werden unsere Augen blind, unsere Ohren taub?

Der auf sich zurückgeworfene Mensch muss stets den Sinn seines Lebens finden bzw. erfinden. Eines der Grundsätze des Existenzialismus, der in diesem Roman immer und immer wieder durchklingt. Bei Fosca und bei fast allen anderen Figuren des Romans.

Was für mich aber auch hoch interessant war, war die Frage, ob der Mensch als solches überhaupt Wohlstand-oder Friedensfähig ist, oder ob er immer den Kampf suchen muss, um glücklich zu sein. Denn nur wenn wir uns spüren, ob durch Leid oder Schmerz, ob durch Freude oder Zwist, sind wir glücklich, aber vermag uns all dies der Wohlstand geben? Sind wir tatsächlich im Krieg, im Kampf, im Streit eigentlich doch glücklicher als in Frieden und in Wohlstand? Betrachten wir nun unsere Geschichte und Gegenwart, dann kommen wir auf eine Antwort, die wir eigentlich nicht hören wollen.

Was in den Augen der Menschen Wert hat, ist niemals, was sie bekommen, sondern was sie tun. Wenn sie nichts schaffen können, dann müssen sie zerstören, aber auf alle Fälle lehnen sie das Bestehende ab, sonst wären sie keine Menschen.“

Dieser großartige Roman ist ein Fundus an Fragen und Denkanstöße. Es war mein erster Roman von Simone de Beauvoir, aber bestimmt nicht mein letzter.

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